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Ex-Verteidigungsminister in Großenhain: Unsicherheit wird das neue Normal

Thomas de Maizière sprach vor CDU-Parteifreunden und Gästen zum Thema Sicherheit. Angst wollte er nicht machen.

Von Kathrin Krüger I Hier geht es zum Artikel auf Sächsische.de.

Großenhain. Sogar die Bayern sind da. Zwei Fernsehleute vom Bayerischen Rundfunk filmen am Donnerstagabend in der Mückenschänke den Vortrags- und Diskussionsabend zum Thema Sicherheit. Schon vier Mal seien die Filmleute beim hiesigen CDU-Stadtverband gewesen, sagen sie. Sie drehen eine abendfüllende Doku über die Partei nach ihrer Wahlschlappe bei der letzten Bundestagswahl. Die Langzeitbeobachtung vor allem im ländlichen Raum soll 2024 ausgestrahlt werden.

An diesem Abend mit Ex-Innen- und Verteidigungsminister Thomas de Maizière erhalten sie gutes Material. Genauso wie die zahlreichen Zuhörer, die nicht nur aus der CDU, sondern auch aus der AfD kommen. De Maizière - als umtriebiger Ruheständler immer noch im CDU-Stadtverband - schlägt in puncto Sicherheit oder Gewissheit einen großen Bogen. Sie sei aus mehreren Gründen erschüttert und erweise sich als Illusion: Es gibt wieder Krieg in Europa. Wohlstandmehrung sei nicht mehr gewährleistet, Überfluss nicht mehr garantiert. Der Staat könne nicht mehr alles ausgleichen, der Staat funktioniere nicht mehr, wie die Deutschen es gewohnt seien, so Thomas de Maizière.

Doch als Christ und Präsident des diesjährigen evangelischen Kirchentages im Juni in Nürnberg bewahre er sich trotzdem sein Urvertrauen. Man könne sich angewöhnen, ohne Angst neu zu denken. Und zur allgemeinen Vorsorge reimt de Maizière sogar: "Wir können das privat, dann kann das auch der Staat."

Dass das aber nicht einfach ist, weiß der 69-jährige langjährige Politiker natürlich aus zahlreicher Erfahrung. Er schildert die Bedrohungen der äußeren und inneren Sicherheit, beklagt sich über ein fehlendes Bundes-Katastrophenschutzgesetz und über unterschiedliche Zuständigkeiten. Er fordert, dass kritische Infrastruktur besser geschützt werden müsste und man auf Cyberangriffe nicht gut genug vorbereitet sei. Aber auch die Bevölkerung müsse sich fragen lassen: Ist sie bereit, Tiefflüge als Übungen für den Ernstfall zu akzeptieren? Oder große Truppenverlegungen der Bundeswehr?

Thomas de Maizière geht es beim Stichwort Sicherheit also um weit mehr als den Ukrainekrieg. Trotzdem drehen sich zahlreiche Fragen in der Diskussion um diese aktuelle Sorge. Günter Werfel aus Zschauitz will wissen, warum die Sprengung der Gaspipeline Nordstream II nicht öffentlich aufgeklärt wird. De Maizière geht so weit aus der Deckung, indem er zugibt, dass das natürlich nicht aus Versehen passiert ist. Christian Riedel aus Zottewitz fragt, warum die geschilderten Probleme auf Bundesebene nicht angegangen werden. "Die Bevölkerung will, dass der Staat besser funktioniert", gesteht auch der CDU-Politiker ein. Und erklärt recht offen die Verdrängungsprozesse, die das politische System lähmen. "Dieser Verdrängung war ich auch erlegen", so de Maizière.

Jürgen Scholz aus Großenhain äußert Angst für sich und seine Nachkommen vor der atomaren Bedrohung. Auch die Kubakrise sei mit einem Kompromiss der Amerikaner und Russen beigelegt worden, so Scholz, der mehr Bemühungen um Verhandlung erwartet. De Maizière spricht von einer schwierigen Abwägung, einem Spagat von Waffenstopp und Vorsicht. "Frieden ist nicht der höchste Wert, sondern Freiheit", macht der Politiker unmissverständlich seine Haltung zum Wunsch nach einem sofortigen Waffenstillstand deutlich. Erst bei einem schmerzhaften Patt sei der sinnvoll.

Nach der Frage von Ronny Steinicke aus Riesa, was die Politik für mehr Unsicherheits-Toleranz in der Bevölkerung tun könne, kommt der Gastredner wieder auf seinen Ausgangspunkt zurück: Freiheit sei zwingend mit Unsicherheit verbunden. Der deutsche Staat habe es mit der Bevormundung seiner Bewohner übertrieben. Die Menschen müssten widerstandsfähiger gegen Krisen werden. Resilienter. Claudia Zoranic und Sohn Jason aus der Jungen Union befriedigen diese Lösungsansätze allerdings nicht. "Die Umsetzung in der Regierung ist doch nicht da", beklagen die Stauchitzer. Und wer sich traue, offen zu sagen, dass es nicht läuft, riskiere seinen Job.